Foto: a.m.
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Frau Prsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Auenminister, Sie haben Anfang dieser Woche der Stuttgarter Zeitung ein Interview gegeben und darin verkndet, deutsche Auenpolitik msse wertorientiert und interessengeleitet sein. Welche Interessen Sie damit meinen, haben Sie auch noch gleich gesagt, nmlich die der deutschen Unternehmen im Ausland. Die Frage ist nur, wie das umgesetzt wird.
Anfang August haben Sie als Vizekanzler eine Kabinettssitzung geleitet. Darin wurde das Lateinamerika- Konzept – das ist heute schon einmal angesprochen worden – beschlossen. Dieses Papier zeigt meines Erachtens exemplarisch, was unter wertorientierter und interessengeleiteter Auenpolitik ganz konkret verstanden wird. Dabei geht es, kurz gesagt, darum, den deutschen Einfluss im ehemaligen Hinterhof der USA wesentlich zu verstrken. Wenn man sich einmal den Weg der Entstehung dieses Konzepts anschaut, dann muss man sagen: Es gibt in der Regierung sehr wohl eine Kontinuitt; denn ob Stichwort „Steuergeschenk an die Hoteliers“, ob Stichwort „Laufzeitverlngerung fr die AKWs“, ob Stichwort „Pharmalobby und Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz“: Immer ist es derselbe Weg; Schwarz-Gelb ist Erfllungsgehilfe fr die Grokonzerne und Lobbyisten.
(Beifall bei der LINKEN)
In diesem Fall ist es wieder so. Ich mchte das auch kurz skizzieren.
Anfang dieses Jahres, im Mrz, hat die sogenannte Lateinamerika-Initiative der deutschen Wirtschaft Empfehlungen zu den deutsch-lateinamerikanischen Wirtschaftsbeziehungen an die Bundesregierung gesandt. Darin ist von der zunehmenden Bedeutung des Wirtschaftsstandorts Lateinamerika, von dessen Reichtum an Bodenschtzen und Energieressourcen die Rede. Von der Industrie wird gefordert, dass die deutsche Politik endlich ihre wirtschaftlichen Interessen vertreten soll. Ganz konkret heit das, die Bundesregierung solle sich doch bitte dafr einsetzen, dass die lateinamerikanischen Bankenmrkte geffnet werden und auf Schutzzlle und andere Manahmen fr die dort ansssige Wirtschaft verzichtet wird. Lediglich fnf Monate spter ist die besagte Kabinettssitzung. Das Konzept wird beschlossen. Sie wiederholen fast wortwrtlich Formulierungen der Industrie und sichern zu, dass die Bundesregierung mit aller Entschiedenheit gegen Marktbeschrnkungen kmpfen werde. Letzte Woche, lediglich einen Monat spter, fand hier in Berlin der Wirtschaftstag statt, zu dem die ber 200 Leiter der Auslandsvertretungen und ber 1 000 Unternehmer und Wirtschaftsfunktionre geladen gewesen sind.
Vizeprsidentin Katrin Gring-Eckardt:
Herr Kollege, mchten Sie eine Frage von Frau Schuster zulassen?
Michael Leutert (DIE LINKE):
Sofort. – Das nenne ich effektives Arbeiten. Komisch an dieser ganzen Angelegenheit ist lediglich, dass das immer nur dann funktioniert, wenn die Interessen von Grokonzernen, egal ob es Energiekonzerne, Pharmakonzerne oder Hotelkonzerne sind, bedient werden. In anderen Punkten klappt so ein effektives und
schnelles Arbeiten der Regierung nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizeprsidentin Katrin Gring-Eckardt:
Frau Kollegin, bitte.
Marina Schuster (FDP):
Herr Kollege, sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Ihre Schilderung der Chronologie hier komplett falsch ist? Wir haben als Allererstes in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass wir ein neues, ressortbergreifendes Lateinamerika-Konzept auf den Weg bringen wollen. Das bisherige Lateinamerika-Konzept stammte aus dem Jahr 1995 und ist der vernderten Weltlage nicht mehr gerecht geworden. Ich bitte Sie sehr darum, Ihre Ausfhrungen in diesem Punkt zu korrigieren. In unserem Konzept geht es ja beileibe nicht nur um Wirtschaftsinteressen, sondern auch um Umweltschutz, erneuerbare Energien und Biodiversitt sowie Menschenrechte.
(Sven-Christian Kindler [BNDNIS 90/DIE GRNEN]: In Brasilien im Erdbebengebiet Atomkraftwerke!)
Der Erstellung des Konzeptes ging ja auch eine Reise voraus; dabei wurden unter anderem mit der GTZ Gesprche in Brasilien ber die Zertifizierung von Tropenhlzern und ber Biodiversitt gefhrt. Was Sie hier dargestellt haben, entbehrt jeder Grundlage.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
Michael Leutert (DIE LINKE):
Liebe Kollegin, ich nehme das sehr wohl zur Kenntnis. Traurig ist allerdings, dass Sie nicht in der Lage waren, ein eigenes Konzept vorzulegen,
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP)
sondern dass Sie tatschlich die Hilfe eines Industrieverbandes bentigt haben, um etwas auf die Reihe zu bringen. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wie sieht es denn im vorliegenden Haushalt mit der Werteorientierung aus? Das Bild, das sich mir da bietet, ist ein Bild des Grauens. Darber bin ich wirklich erschttert. Entsprechende Zahlen sind ja hier schon genannt worden; ich mchte aber trotzdem noch einmal einige nennen. Seitdem Sie das Amt des Auenministers bernommen haben, seit Oktober 2009, wurden die freiwilligen Leistungen an die Vereinten Nationen um 21 Prozent heruntergefahren. Das trifft insbesondere die Zahlungen an das Hochkommissariat fr Menschenrechte mit einem Minus von 32 Prozent. Der Titel „Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe, Manahmen zur Frderung der Menschenrechte“ wurde um 51 Prozent heruntergefahren. Darin enthalten sind 6 Millionen Euro fr Ausstattungshilfe, was quasi ein militrischer Posten ist. Der Titel „Untersttzung von internationalen Manahmen auf den Gebieten Krisenprvention, Friedenserhaltung und Konfliktbewltigung durch das Auswrtige Amt“ wurde gegenber 2009 um 9 Prozent heruntergefahren. Der Titel „Fr Humanitre Hilfsmanahmen im Ausland“ wurde um 25 Prozent heruntergefahren. Der Titel „Manahmen der Abrstung, Rstungskontrolle und Nichtverbreitungszusammenarbeit“ wurde um 35 Prozent heruntergefahren. Man knnte diese Liste noch um Stipendien, Goethe-Institute und anderes beliebig erweitern. All das betrifft die zivile Auenpolitik. Eine Zahl, die heute hier noch nicht genannt wurde, die ich aber auch fr wichtig halte, ist, dass Sie im Gegensatz zu 2009 70 Millionen Euro mehr im Haushalt haben. Es ist berhaupt nicht so, dass Sie mit weniger Geld auskommen mssten; Sie haben 70 Millionen Euro mehr. Wenn jetzt gesagt wird, dieses Geld fliee in den Stabilittspakt Afghanistan, der auf 180 Millionen Euro aufgebauscht wurde, mchte ich dem gerne einmal das gegenberstellen, was in einem Schreiben aus Ihrem Hause steht, in dem es um die Kultur- und Bildungsprojekte des Auswrtigen Amtes in Afghanistan geht. Im Vergleich zu 2009 sind demzufolge fr Schulfrderung 1 Million Euro weniger vorgesehen; das Projekt „Deutsch als Fremdsprache“ wurde auf null gefahren; die Umfeldstabilisierung – das heit berufliche Bildung – wurde um 2,4 Millionen Euro gekrzt und damit auch auf null gefahren; fr den Kulturerhalt gibt es 800 000 Euro weniger. Angesichts dessen frage ich mich, wohin denn die Gelder fr den Stabilittspakt Afghanistan flieen.
(Jan van Aken [DIE LINKE]: Waffen!)
All das ist die Schattenseite Ihrer wertegeleiteten Auenpolitik. Im Gegensatz zu den Interessen der Wirtschaft, wofr die Mittel hochgepowert wurden, wurden die Anstze fr die Umsetzung von Werten wie Menschenrechte, Demokratisierung, Krisenprvention, Friedenserhalt in diesem Haushalt geschleift. Ich bin der festen berzeugung: Wenn dieser Haushalt so, wie er vorliegt, beschlossen wird, hinterlassen Sie ein Trmmerfeld ziviler Auenpolitik.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BNDNISSES 90/DIE GRNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Jawohl, Trmmerfeld!)
Eines muss man Ihnen sicherlich lassen: Sie haben, wie gesagt, vor nicht einmal einem Jahr, nmlich vor zehn Monaten, das Amt bernommen. In dieser kurzen Zeit haben Sie die Auenpolitik grndlich umgepflgt: Wirtschaftsinteressen hoch – Kultur, Bildung, humanitre Hilfe, Friedenserhaltung runter. Es bleibt fr uns alle eigentlich nur ein Trost: Sie haben nicht nur an den Zahlen des Einzelplans gearbeitet, sondern Sie haben auch an den Zahlen Ihrer eigenen Partei gearbeitet: Innerhalb von zehn Monaten von 15 Prozent auf 5 Prozent bei den Umfragewerten – macht 1 Prozent weniger pro Monat.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Also nur noch fnf Monate!)
Ich hoffe fr uns alle und im Interesse der deutschen Auenpolitik, dass Sie zumindest bei den Prozentzahlen Ihrer Partei Kurs halten. Dann wre das nchste Wahlergebnis von Ihnen einfach, niedrig und gerecht.
(Beifall bei der LINKEN)
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Quelle: www.vermoegensteuerjetzt.de