Michael Leutert, MdB (DIE LINKE.)


23.11.2011

Im Gesundheitssystem werden Steuergelder verschwendet

Rede zum Hauhalt des Gesundheitsministeriums

Michael Leutert

Frau Prsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute abschlieend ber das Budget des Gesundheitsministers. Das heit, wir sprechen ber 14,5 Milliarden Euro. Es wurde hier schon mehrmals gesagt: Allein 14 Milliarden Euro davon flieen in den Gesundheitsfonds. Das bedeutet, dass wir das eigentlich an die Krankenkassen durchreichen. Das ist natrlich Grund genug, sich einmal damit zu beschftigen, wie die Steuergelder dort verwendet werden. Das hat sich auch der Bundesrechnungshof gedacht und in der letzten Woche seine jhrlichen Bemerkungen dazu abgegeben. Es lohnt sich durchaus, einen Blick in das 300 Seiten umfassende Werk zu werfen. Es ist allerdings zum Teil erschreckend.

Bevor ich dazu komme, mchte ich etwas dazu sagen, wie sich die Situation fr den normalen Brger darstellt. Es gab mehrere Loblieder auf die derzeitige Gesundheitspolitik; begonnen hat damit der Kollege Singhammer. Ich wei nicht, vielleicht leben wir in unterschiedlichen Lndern. Fr den normalen Menschen in unserem Land stellt sich die Situation so dar: Er zahlt Monat fr Monat seine Krankenkassenbeitrge, von seinen Steuergeldern wird der Extrazuschuss zum Gesundheitsfonds gezahlt, und seit 1993 hat er insgesamt zwlf Gesundheitsreformen erlebt. Diese Gesundheitsreformen bedeuteten fr ihn: Zuzahlungen fr Medikamente, Krzungen beim Zahnersatz, Krzungen beim Krankengeld, Krzungen beim Zuschuss fr Brillengestelle, Streichung des Sterbegeldes, Streichung des Entbindungsgeldes, Einfhrung der Praxisgebhr und letztendlich Einfhrung von Zusatzbeitrgen, also die Minikopfpauschale. So sieht es fr den normalen Menschen in unserem Land aus. Das alles muss er unter der berschrift „Reform“ ertragen. Die Schlagworte „Kosteneffizienz“, „Wirtschaftlichkeitsgebot“ und „Wettbewerb strken“ waren im Prinzip die Losung, die zu einer Lsung fhren sollten.

Im jetzt vorliegenden Bericht des Bundesrechnungshofes kann man allerdings auch die andere Seite sehen, nmlich wie die Krankenkassen mit den Mitgliedsbeitrgen und den Milliarden an Steuergeldern umgehen. Es wre eigentlich anzunehmen, dass sie sparsam damit umgehen, dass sie sich der Situation bewusst sind, aber leider ist dem nicht so. Vielmehr kann man neben Unregelmigkeiten bei Krankenkassenfusionen, bei ungerechtfertigten und berhhten Gehltern und Abfindungen fr Vorstnde unter anderem auch die berschrift lesen ‑ Herr Kollege Fricke hatte es angesprochen ‑: Millionenverluste bei Krankenkassen durch hohe Mieten und nicht bentigte Broflchen. ‑ Krankenkassen haben noch nicht errichtete Brogebude angemietet, und zwar langfristig. „Langfristig“ heit in diesem Fall ber 20 Jahre, und zwar ohne Kndigungsoption. Angemietet wurden diese Objekte zu Mietpreisen, die doppelt so hoch waren wie die ortsblichen Vergleichsmieten. Es wurden 14 Euro pro Quadratmeter statt 7 Euro pro Quadratmeter gezahlt. Es wurden sogar Flchen angemietet, die gar nicht bentigt wurden. Beispielsweise wurden statt 8 000 Quadratmeter, die eigentlich nur bentigt wurden, 19 000 Quadratmeter angemietet. Die wurden dann untervermietet, natrlich zu den ortsblichen Mieten, oder sie standen leer. Man hat also Verluste eingefahren. Allein bei diesen Vermietungsgeschften sprechen wir ber Verluste von insgesamt 14 Millionen Euro.

Was hier beschrieben wird, ist nicht nur einfach ein Versehen, sondern es ist schlicht Veruntreuung. Es ist kriminell, was hier passiert ist.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Na, na, na!)

Das ist ein Fall fr den Staatsanwalt. Herr Kollege Fricke, es tut mir Leid: Man kann den Minister, ihren Parteifreund, doch nicht einfach so aus der Verantwortung lassen. Das Ministerium sieht in den vom Bundesrechnungshof aufgefhrten Fllen keinen Handlungsbedarf, sondern es heit: So wie es passiert ist, ist es in Ordnung. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Versicherten, die die Reformen erlebt haben und immer wieder wegen Kostenexplosion auf Leistungen verzichten oder mehr zahlen mussten, in den letzten Jahren nicht einmal die ihnen zustehenden Leistungen bekommen.

Besonders geschmacklos ist es dann, wenn es um die Kinder geht: Ich meine die Mutter/Vater-Kind-Kuren; das Thema drfte bekannt sein. Obwohl es gesetzliche Regelungen dazu gibt, verweigern die Krankenkassen in vielen Fllen die Bewilligung. Der Bundesrechnungshof spricht in diesem Fall sogar von „Willkr von Entscheidungen“. Allein durch diese Praxis der Willkr haben die Krankenkassen in den letzten Jahren 11 Millionen Euro eingespart. Noch einmal zum Vergleich: Auf der einen Seite werden 14 Millionen Euro fr dubiose Mietgeschfte verpulvert, auf der anderen Seite werden 11 Millionen Euro fr Mutter/Vater-Kind-Kuren nicht genehmigt. Das halte ich fr einen Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, wenn Sie nicht in der Lage sind, diese Probleme in Ihrem Zustndigkeitsbereich zu lsen, mchte ich Sie zum Schluss noch auf eine Sache aufmerksam machen, die auch das Gesundheitssystem betrifft. Ihr Koalitionspartner hat vor einigen Wochen den Mindestlohn entdeckt.

(Mechthild Rawert (SPD): Lohnuntergrenze!)

Durch die ganzen Reformen sind natrlich auch die Krankenhuser mehr und mehr gezwungen, ihre Kosten zu senken, zum Beispiel indem sie Dienstleistungen ausgliedern. Das fhrt dazu ‑ so viel zum Alltag; Sie haben davon gesprochen ‑, dass insbesondere die Beschftigten im Bereich Service zu Tiefstlhnen arbeiten mssen. Sie haben keine Tarifvertrge, und die Politik hilft diesen Menschen nicht, indem sie einen Mindestlohn einfhrt. 400 Meter von hier entfernt streiken deshalb die Beschftigten der CFM an der Charit seit nunmehr 72 Tagen. Von hier aus die herzlichsten Gre an die Kollegen dort. Die Linke wnscht viel Durchhaltevermgen und Erfolg.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizeprsidentin Petra Pau:

Kollege Leutert, achten Sie bitte auf die Zeit.

Michael Leutert (DIE LINKE):

An Sie, Herr Minister, kann ich nur appellieren: Helfen Sie den Beschftigen im Gesundheitssystem, indem Sie sich als FDP-Minister in Ihrer Partei fr den Mindestlohn einsetzen. Damit wrden Sie den Beschftigten einen groen Dienst erweisen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)


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    Quelle: www.vermoegensteuerjetzt.de


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